
Seit etlichen Monaten sind wir nun schon in der einen oder anderen Form des Lockdowns, was „echtes“ Training vor Ort im Dojo leider über längere Zeiträume unmöglich gemacht hat. Im letzten Jahr, als „online“ für alle noch eine große Unbekannte war, ging es vorsichtig mit Trainingsvideos los. Trainer luden kurze Einheiten hoch, mit denen man zuhause zu jeder beliebigen Zeit eigenverantwortlich trainieren konnte, und jeder hatte die Möglichkeit, eigene Videos hochzuladen, um Trainingsfortschritte zu dokumentieren. Das half zwar, am Ball zu bleiben, war aber natürlich kein gleichwertiger Ersatz für das gemeinsame Training. Wir waren wohl alle erleichtert, als wir uns endlich wieder, mit viel Abstand natürlich, in kleinen Gruppen im Freien zum Training treffen konnten. Schon bald dachten wir wieder über neue Anfängerlehrgänge nach, planten die Weihnachtsfeier und freuten uns darüber, dass sich die Abläufe mehr und mehr normalisierten. Und dann kam Corona, Teil II. Inzwischen hatten viele von uns ja beruflich und privat einiges an Erfahrung mit Videokonferenzen in so ziemlich allen Lebenslagen gesammelt, da lag es nahe, auch für unser Training mal einen Versuch damit zu starten. So trafen wir uns denn einmal pro Woche statt im heimischen Dojo im heimischen Wohnzimmer – mit Karateanzug, Smartphone, Tablet, Laptop oder PC. Jede*r für sich und doch alle zusammen. Schnell fand sich eine bunt gemischte Trainingsgruppe zusammen, die nicht nur alle Graduierungen, sondern auch alle Altersstufen umfasste, und inzwischen trainieren wir wieder regelmäßig zweimal pro Woche zu festen Zeiten. Zusätzlich finden an den Wochenenden auch noch regelmäßig Online-Lehrgänge unseres Karate-Verbandes DJKB und Kaderlehrgänge des Stützpunkt Nord/Ost statt, bei denen wir regelmäßig vertreten sind. Natürlich ist ein Training per Einzelzuschaltung zur Video-Konferenz nicht das Gleiche wie Training mit wechselnden Partnern in der Halle. Da kann man Reaktionsfähigkeit trainieren, flexibles Arbeiten mit wechselnden Abständen und mit Trainingspartnern mit unterschiedlichen technischen Fähigkeiten, die alle ganz eigene Muster mitbringen. Das lässt sich in Gruppen-Konferenzen natürlich nicht gleichwertig simulieren. Aber man kann sich perfekt auf die eigene Technik konzentrieren und an Grundlagen feilen, für die man sonst im Training oft nicht genug Zeit hat, und dass man Bewegungsabläufe, die sich normalerweise durch die komplette Halle ziehen, jetzt auf 1 – 2 m2 Wohnzimmerfläche ausführt, ohne dabei mit Tisch, Lampe oder Fernseher zu kollidieren, stellt ganz neue Anforderungen an die Koordination. Sprungwechsel in der Luft statt raumgreifender Schritte, die Kombination von Angriffstechniken mit ungewohnten Rückwärts- oder Seitwärtsbewegungen, oder von verschiedenen Blocktechniken mit Fußangriffen: Schon kleine Änderungen in altbekannten Kombinationen von Grundtechniken schaffen völlig neue Herausforderungen und halten das Training für alle Altersstufen und Graduierungen gleichzeitig gut machbar und interessant. Techniken können dank unterschiedlicher Kameraperspektiven ganz anders eingeführt werden, und für Anfänger ist es möglich, sich am Trainer oder anderen Fortgeschrittenen zu orientieren, weil einem nie jemand anders die Sicht versperrt und man immer alle anderen gut sortiert in Kacheln auf dem eigenen Bildschirm sehen kann. Das wichtigste ist und bleibt aber das Training als Gruppe und eine regelmäßige Routine zu entwickeln. Wir treffen uns beim Training, schwitzen zusammen und verbringen hinterher noch etwas Zeit miteinander. Wenn ihr noch nicht dabei seid, gebt euch einen Ruck und versucht es. Ihr glaubt gar nicht, wie gut es euch tun wird!
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